Dynamische Stromtarife im C&I-Segment: Ein Fallbeispiel

Kurz & knapp: Was ist ein Dynamischer Stromtarif?

Der Preis für Strom an der Strombörse variiert im Tagesverlauf stark. Während die Festpreis-Tarife Verbraucher von diesen Schwankungen entkoppeln, geben dynamische Tarife diese Preisschwankungen an die Stromkunden weiter. Dadurch kann ein erhebliches finanzielles Einsparpotenzial entstehen.

Kurz & knapp 2: Wie unterstützt minimum.energy bei der Umsetzung dynamischer Stromtarife in Unternehmen?

minimum.energy zeigt den Mehrwert dynamischer Tarife individuell auf Ihre spezifischen Energiesysteme ausgelegt: Wir importieren 15-Min-Lastgänge, hinterlegen Preisbücher (Day-Ahead, Netzentgelte inkl. HLZF) und optimieren PV, Speicher und flexible Verbraucher in einem Schritt. Das Ergebnis sind belastbare Variantenvergleiche (Beschaffung, Peak Shaving, atypische Netznutzung, Arbitrage) mit klaren Fahrplänen und Grenzwerten für Ihr EMS – plus 1-Klick-Präsentation für die Entscheider.

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Fallbeispiel: Dynamische Tarife in der Praxis – UPM Papierfabrik (Projekt SynErgie)

Das konkrete Beispiel soll veranschaulichen, wie ein Industrieunternehmen in Deutschland dynamische Stromtarife bzw. flexible Stromnutzung erfolgreich erprobt – inklusive der bisherigen Erfahrungen und Lessons Learned. Hierfür betrachten wir das SynErgie-Projekt bei der Papierfirma UPM (finnischer Papierkonzern mit mehreren Werken in Deutschland).

Im Rahmen des vom BMBF geförderten Kopernikus-Projekts SynErgie wird seit 2016 untersucht, wie energieintensive Industrieprozesse an ein fluktuierendes Stromangebot angepasst werden können. UPM beteiligt sich daran mit drei Papierfabriken (Schongau, Plattling, Dörpen). 

Ein zentrales Teilprojekt namens FlexPulp fokussiert auf die Herstellung von Faserstoff (Halbstoff), einem energetisch aufwändigen Zwischenschritt der Papierproduktion. Normalerweise laufen die Refiner und Mahlprozesse möglichst gleichmäßig, um die nachfolgenden Papiermaschinen konstant zu versorgen. 

Im FlexPulp-Konzept hat man hingegen die Produktionskapazität bewusst über den direkten Bedarf erhöht und große Zwischenlager (Speicherbütten) eingesetzt. Dadurch kann die Halbstoff-Produktion zeitweise gedrosselt oder hochgefahren werden, ohne die Papiermaschine zu unterbrechen – der Puffer gleicht Unterschiede aus. Diese Flexibilität wurde genutzt, um die energieintensiven Mahlaggregate gezielt in Stunden mit günstigem Strompreis laufen zu lassen und in teuren Stunden abzuschalten.

Die Ergebnisse sind äußerst vielversprechend: Am UPM-Standort Schongau wurden durch eine Kombination aus technischen Maßnahmen (Optimierung der Steuerungs- und IT-Systeme) Einsparungen von über 14 % der Energiekosten erzielt. Diese Kostenreduktion kommt allein durch die verbilligte Strombeschaffung zustande – die Papierproduktion und Ausstoßmenge blieben unverändert, es entstanden keine Produktionsverluste. 

Mit anderen Worten konnte UPM dieselbe Menge Papier mit 14 % weniger Stromkosten herstellen, indem es flexibel nach dem Strompreis gesteuert hat. Neben den finanziellen Einsparungen ergab sich auch ein ökologischer Vorteil: Die Fabrik nutzte nun vermehrt Strom in Zeiten hoher erneuerbarer Einspeisung (z.B. nachts bei viel Windenergie) und vermied den Verbrauch in Zeiten mit fossil befeuerten Spitzenlastkraftwerken. Dies reduzierte indirekt die CO₂-Emissionen. Das Projekt demonstrierte damit anschaulich, welches Flexibilitätspotenzial in Industriebetrieben schlummert, wenn man Prozesse entkoppelt und Puffer einbaut.

Lessons Learned

Allerdings offenbarte das Beispiel auch wichtige Erkenntnisse zu den Rahmenbedingungen. Eine zentrale Lesson Learned betraf die bisherigen Netzentgelt-Regelungen: Diese wirkten in der untersuchten Konstellation kontraproduktiv. Durch die geänderte Fahrweise verschob UPM einen Großteil seines Strombezugs in bestimmte Stunden, was dort zu höheren Leistungsspitzen führte als vorher (denn früher lief die Last gleichmäßiger verteilt). 

Nach aktueller Netzentgeltverordnung hätte dies bedeutet, dass UPM plötzlich in eine höhere Jahreshöchstlast fiel und dadurch deutlich mehr Netzentgelte hätte zahlen müssen – im schlimmsten Fall bis zum Fünffachen. Mit anderen Worten: Die eingesparten Energiekosten wären teilweise durch höhere Netzkosten wieder zunichte gemacht worden.

Dieses Ergebnis machte klar, dass die regulativen Anreize angepasst werden müssen, damit sich industrielle Flexibilität lohnt. Das SynErgie-Team formulierte daraufhin ein Positionspapier mit der Forderung, die Netzentgeltregelung zu ändern, sodass Lastverschiebungen nicht länger bestraft, sondern belohnt werden

Genau diese Forderung spiegelt sich nun in den BNetzA-Plänen 2024 wider, dynamische Netzentgelte einzuführen (siehe oben). Für UPM war dies eine wertvolle Erkenntnis: Technisch ist Flexibilität machbar und ökonomisch vorteilhaft, wenn die Tarifstruktur stimmig ist – aber die bisherigen fixen Abrechnungsmechanismen müssen mitziehen, damit das Potenzial voll ausgeschöpft werden kann.

Energieeffizienz und Flexibilität

Ein weiteres Learning betraf die Kombination von Energieeffizienz und Flexibilität. Im Werk Plattling wurden neue, effizientere Schleifmaschinen installiert, die weniger Grundlast verbrauchen. Man erreichte dort den seltenen Fall, dass Effizienzsteigerung und Flexibilisierung Hand in Hand gingen – oft besteht ein Zielkonflikt (eine effizientere Maschine ist starrer). Hier zeigte sich, dass moderne Technologien beide Ziele unterstützen können. 

Dennoch bleibt ein allgemeiner Spannungsbogen: Ein Betrieb will einerseits seine Prozesse optimal auslasten (hohe Effizienz), andererseits Freiräume lassen für Flexibilität. UPM hat gelernt, dass man abteilungsübergreifend planen muss – Energiemanager, Produktionsleiter und Finanzcontroller müssen gemeinsam die optimale Fahrweise festlegen, statt isoliert zu agieren.

Die praktischen Erfahrungen der UPM-Papierfabriken fließen nun in Handlungsempfehlungen ein. So wurde ein Demonstrator entwickelt, der betriebswirtschaftliche und ökologische Folgen verschiedener Fahrweisen simuliert. Dieses Tool hilft dem Unternehmen und auch externen Stakeholdern (Netz, Politik) zu verstehen, wie Flexibilität unter realen Marktregeln wirkt. 

Lesson Learned hier: Transparenz der Auswirkungen ist wichtig, um alle Beteiligten vom Nutzen zu überzeugen. Die Visualisierung machte z.B. klar, dass ohne Anpassung der Netzentgelte zwar das Unternehmen sparen würde, aber das Netz dafür Spitzen abbekommt – mit neuem Modell hingegen gewinnen beide.

Zusammenfassung

Zusammenfassend zeigt das Fallbeispiel UPM/SynErgie: Dynamische Tarife und Lastflexibilisierung funktionieren in der Praxis selbst in energieintensiven Grundstoffindustrien. Es sind erhebliche Einsparungen möglich, und die Technik kann zuverlässig gesteuert werden, sodass die Produktion nicht leidet. Gleichzeitig wurden Hindernisse aufgedeckt, insbesondere im Regulierungssystem, die aber erkannt und nun adressiert werden. Die wichtigsten Lessons Learned sind:

  • Flexibilitätspotenzial identifizieren: Detaillierte Analyse der eigenen Prozesse (hier: Puffer in der Prozesskette nutzen). Oft hilft Kooperation mit Forschungsinstitutionen oder Pilotprojekten, um ungenutzte Spielräume aufzudecken. → minimum energy zeigt auf, wie von dynamischen Tarifen profitiert wird, ohne die Prozesse aufwändig umzustellen/anzupassen.

  • Technische Umsetzung sicherstellen: Investition in Steuerungs- und Speichertechnik kann sich lohnen (z. B. größere Bütten bei UPM). Ohne geeignete Hardware/Software ist dynamische Optimierung nicht möglich.

  • Regulatorischen Rahmen im Blick haben: Vor Umsetzung die Auswirkungen auf alle Preisbestandteile durchrechnen. UPM hätte zuerst netto draufgezahlt wegen Netzentgelten – diese Erkenntnis ermöglichte rechtzeitiges Gegensteuern (Lobbyarbeit für Anpassungen, Vereinbarungen mit Netzbetreiber).

  • Interne Abstimmung und Kompetenz: Erfolgsfaktor war die enge Zusammenarbeit verschiedener Abteilungen. Zudem mussten Mitarbeiter vor Ort in neuen Fahrplänen geschult werden. UPM profitierte vom SynErgie-Netzwerk, um Know-how aufzubauen.

  • Skalierung und Übertragbarkeit: Das Beispiel kann Vorbild für andere Papierfabriken und Industrien sein. Viele Prozesse mit Zwischenlagern (z.B. in der Chemie, Lebensmittelverarbeitung) könnten ähnlich flexibilisiert werden. Wichtig ist, die Ergebnisse zu kommunizieren und Branchenlösungen zu entwickeln.

Insgesamt gilt: Das UPM-Projekt liefert einen Proof of Concept, dass dynamische Tarife und die dadurch angestoßene Flexibilität real machbar sind und sich lohnen – für Unternehmen und Energiewende gleichermaßen. Die „Lessons Learned“ fließen nun zurück in die Gestaltung der Rahmenbedingungen (Netzentgelte reformieren) und dienen anderen Unternehmen als wertvoller Erfahrungsschatz.

Quellen: region-a3 und Synergie-Porjekt

minimum.energy
December 1, 2025

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